
Ende August sitzt Aleksey Shpilevski im Medienraum des Erzgebirge-Stadions und erzählt. Von den abenteuerlichen Verhältnissen, unter denen er in Belarus und Kasachstan durchaus erfolgreich als Cheftrainer arbeitete. Von seiner Spielidee, für die er keine Kompromisse eingehen wolle. Und von dem Wunsch nach Professionalität, der ihn letztlich zurück nach Deutschland und nach Aue führte. Ein Engagement, für das er auf eine mögliche Teilnahme an der Champions League mit seinem vorherigen Klub Kairat Almaty verzichtete: „Und auf Gehalt, weil ich diese Chance hier unbedingt wahrnehmen möchte. Ich wollte, dass meine Arbeit auch hierzulande gesehen wird“, sagt er im Interview in 11FREUNDE #239.
Im Gespräch wirkt Shpilevski hochkonzentriert. Beim Zuhören richtet er immer wieder die Ärmel seines schwarzen Hemdes, beim Reden stützt er die Arme auf dem Tisch ab, beugt sich nach vorne und sucht den Augenkontakt zum Gesprächspartner. Shpilevski wirkt klar, wie einer, der einen Plan hat. Am 19. September, nach der 1:4‑Heimniederlage gegen den SC Paderborn, sitzt er bei der obligatorischen Pressekonferenz nach Abpfiff bereits nicht mehr im Medienraum. Da sitzt stattdessen Präsident Helge Leonhardt neben dem etwas verdutzten Paderborner Trainer Lukas Kwasniok.
Vor Anpfiff wollte Leonhardt bei „Sky“ noch nicht von einem Entscheidungsspiel für Shpilevski sprechen. Später verließ er drei Minuten vor Abpfiff den Innenraum des Stadions, um sich rasch mit den Vereinsgremien zu besprechen. Er wirkt angestrengt, als er Shpilevskis Aus als Cheftrainer in Aue verkündet: „Das Projekt ist gescheitert, was ich persönlich sehr bedauere.“ Nachfragen sind nicht gestattet. Shpilevski kommt nicht mehr zu Wort, auch im schriftlichen Statement des Vereins nicht. Was ist da nur passiert?
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Eine Verpflichtung mit Risiko
Als der Klub den neuen Trainer Mitte Juni vorstellt, wirkt das in der Tat wie ein Projekt. Schließlich ist der 33-Jährige zu dem Zeitpunkt nur Kennern ein Begriff. Mit 18 Jahren endet Shpilevskis Laufbahn als aktiver Fußballer verletzungsbedingt, danach stürzt er sich ins Trainerleben. Er lernt in Großaspach, Stuttgart und Leipzig, speziell der RB-Fußball prägt ihn. Zum Dienstantritt in Aue begrüßt ihn deshalb ein von den Fans angebrachtes Banner am Vereinsgelände: „Die Wismut-DNA ist nicht veRänderBar!“. Auf der Suche nach noch mehr Wissen nervt Shpilevski über die Jahre einige Sportdirektoren und Berater, bis sie ihm Gespräche mit ihren Klienten ermöglichen. Er spricht unter anderem mit Huub Stevens und Andriy Shevchenko, besorgt sich über verschiedenste Quellen detaillierte Infos zur Arbeit von Arsene Wenger und Pep Guardiola.
2018 tritt er seine erste Station als Cheftrainer in seinem Heimatland Belarus an. Er betreut Dynamo Brest, wo während seiner Amtszeit Diego Maradona als Präsident vorgestellt wird. Shpilevski bleibt nur für acht Spiele, bevor er wegen der ausbleibenden Sanktionierung des unprofessionellen Verhaltens vieler Führungsspieler die Reißleine zieht. Weiter geht’s bei Kairat Almaty in Kasachstan. Shpilevski führt den Klub in seiner zweiten Saison zur Meisterschaft. Sein Fußball ist extrem laufintensiv, seine Mannschaft soll den Gegner stressen – auch in Aue: „Wir wollen die gegnerischen Angriffe proaktiv attackieren und Druck ausüben.“ Ein ambitionierter Ansatz, schließlich wird der Auer Kader im Sommer mit vielen Transfers verjüngt und umstrukturiert. „Ich habe diese Aufgabe zunächst mit sehr viel Vorsicht gesehen, es stand ein großer personeller Umbruch bevor“, sagt Shpilevski.
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