
Chancengleichheit, das ist ein Wort aus längst vergangener Zeit, die Klubs, um die es hier geht, haben im politisch »zwar offenen, aber ökonomisch und kulturell weiterhin zweigeteilten Europa« von heute nur Aussichten, ihre Erfolge von früher zu wiederholen, wenn wider Erwarten irgendein Ölscheich einsteigt. Träber bezieht also Position und versucht Aufmerksamkeit auf die Underdogs zu lenken, was grundsätzlich schon einmal sympathisch ist. Knifflig allein die Auswahl. Träber gesteht freimütig, dass auch persönliche Vorlieben und Antipathien mit im Spiel waren (Lazio Rom etwa war ihm zu rechtslastig, Salzburg zu abhängig vom Geldgeber), ein zweiter Sympathiepunkt. Ein Europacupsieg wurde als Erfolgsobergrenze festgelegt, mindestens eine Halbfinalteilnahme galt als Minimum. Nach diesen Kriterien wären über 100 Vereine in Frage gekommen, übrig blieben schließlich 35 aus 19 Ländern, so gleichmäßig wie möglich über die Landkarte verteilt.
Dabei spannt sich der Bogen von Malmö FF im Norden bis zum SEC Bastia im Süden und vom KV Mechelen im Westen bis zu Dynamo Tiflis im Osten. Nur Fortuna Düsseldorf und den KSC hätte es, wenn die Kandidatenliste so umfangreich war, für eine doch wohl überwiegend deutsche Leserschaft nicht unbedingt gebraucht. Das Verhältnis zwischen west- und osteuropäischen Vereinen beträgt immerhin 22:13. Wo sonst könnte man sich in angemessenem Umfang, in deutscher Sprache, außerhalb des Internets und vor allem aber so kompetent über Gornik Zabrze (das 1970 das Pokalsieger-Finale gegen Manchester City nur mit 1:2 verlor, weil genau in der Sekunde, in der man den vermeintlichen Ausgleich erzielte, das Flutlicht ausfiel) informieren? Oder über die ungarischen Zungenbrecherkönige von Videoton Székesfehévar, die 1985 im Halbfinale des UEFA–Pokals Manchester United eliminierten. Die Umsetzung der guten Idee überzeugt gleichfalls. Jedem Verein werden etwa 10 Seiten gewidmet, was nicht zu viel ist, aber weit über jeden Lexikoneintrag hinausgeht. Auf rund einem Drittel davon wird jene Saison auf europäischer Bühne geschildert, die dem Klub seinen Platz im Buch gesichert hat. Hier läuft Träber zu großer Form auf, der riesige Aufwand an Recherche quillt quasi zwischen den Zeilen hervor. Träber ist ein Meister jenes Stils, der straight nach vorne erzählt, trotzdem aber in fast jedem Satz einen Schlenker einbaut, in dem dann eine Information (etwa zu einem Spieler oder Trainer) steckt, die neu und damit hochwillkommen ist und oft hilft, das beschriebene Spieljahr in die richtige historische Perspektive zu setzen. Danach folgen die Porträts eines herausragenden Akteurs der Mannschaft und des Stadions sowie ein Kurzabriss der Vereinsgeschichte. Auch dort bleibt Träber auf angenehme Weise beim Fußball und unterliegt nicht der Versuchung, den Feuilletonisten zu geben, der dem Leser en passant die politischen Zeitläufe analysiert. Wenn man mal bedenkt, welch immense Bedeutung die europäischen Vereinswettbewerbe für die meisten Fans haben, dann existiert verblüffend wenig fundierte deutschsprachige Literatur zu diesem Thema. Gut, es gab die irgendwann in den frühen Achtzigern eingestellte Jahrbuchreihe von Copress, die heute so herrlich antiquiert wirkt, und es gibt natürlich Ulrich Hesses fulminante, mit wilden Ellipsen und regelrechten jump cuts vorwärtsstürmende Gesamtdarstellung »Flutlicht & Schatten«. Aber sonst? Mit »Der Traum vom Europapokal« gesellt sich jetzt ein Titel dazu, dem man umgehend den Rang eines Klassikers attestieren kann und der förmlich nach einem Fortsetzungsband schreit.
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