Nach dem Goldrausch - Alemannia Aachen vs. Jrg Schmadtke 11FREUNDE

Ein Mann muss manchmal tun, was ein Mann tun muss. Und weil er grad da war, ergriff Jrg Schmadtke die Gelegenheit beim Schopfe und machte die Sache publik: Ende Oktober gab der Sportdirektor bekannt, dass zum Saisonende fr ihn in Aachen Schluss sein wrde. Live und in Farbe im DSF, nur Minuten vor dem

Ein Mann muss manchmal tun, was ein Mann tun muss. Und weil er grad da war, ergriff Jörg Schmadtke die Gele­gen­heit beim Schopfe – und machte die Sache publik: Ende Oktober gab der Sport­di­rektor bekannt, dass zum Sai­son­ende für ihn in Aachen Schluss sein würde. Live und in Farbe im DSF, nur Minuten vor dem Anpfiff des Spiels seiner Ale­mannia gegen den FSV Mainz 05. Kün­digte da ein Manager seine tri­um­phale Abschieds­tournee bei einem Klub an, den er in sieben Jahren vom Plei­te­klub zum UEFA-Cup-Teil­nehmer gemacht hatte? Oder pro­vo­zierte ein ego­zen­tri­scher Trickser hier ledig­lich seine Demis­sion?

Der Vor­stand berei­tete dem Spuk ein schnelles Ende. In einer kurz­fristig anbe­raumten Pres­se­kon­fe­renz ver­kün­dete Auf­sichts­rats­boss Dr. Jürgen Linden um 23.49 Uhr des 20. Okto­bers 2008 die Beur­lau­bung des Sport­di­rek­tors. Im ver­flixten siebten Jahr. Es gibt Bezie­hungen, die zer­bre­chen, weil ein Partner sich neu ver­liebt. Die meisten aber gehen kaputt, weil einer den anderen nicht mehr erträgt. So war es wohl auch in diesem Fall – ein Ver­hältnis, das auf Gegen­sei­tig­keit beruhte. Nur wer hat hier eigent­lich wen ver­lassen?

»Er hat deut­lich gemacht, dass es ihm an Moti­va­tion für den Job fehlt«

Es gibt eine kurze und eine lange Ver­sion der Geschichte: Die kurze begann im März dieses Jahres. Damals traf sich der Vor­stand mit Schmadtke, um über dessen Zukunft zu beraten. Die Welle des Erfolgs, auf der der Klub unter dem zupa­ckenden Sport­di­rektor lange Zeit surfte, war abge­ebbt. Mit Guido Buch­wald hatte Schmadtke seinen Coach für die lau­fende Saison bereits wieder ent­lassen müssen. Und an den erhofften Wie­der­auf­stieg ins Ober­haus wagte nie­mand mehr zu denken. Ale­mannia düm­pelte im Nie­mands­land der Liga. Im Vor­feld der Bespre­chung soll Schmadtke von einem der Auf­sichts­räte gefragt worden sein, ob er der Ansicht sei, seinem Job noch gerecht zu werden. Was bei dem ver­dienten Manager nach sieben Jahren Klub­zu­ge­hö­rig­keit durchaus zu einiger Ent­rüs­tung führte. »Unap­pe­tit­lich« sei der Umgang sei­tens des Auf­sichts­rats­chefs mit ihm gewesen. Er signa­li­sierte den Bossen also, dass er nicht an seinem Job kleben würde. »Er hat deut­lich gemacht, dass es ihm an Moti­va­tion für den Job fehlt«, sagt Aachen-Geschäfts­führer Fri­thjof Kraemer, was Schmadtke vehe­ment bestreitet: »Dafür ist die Trans­fer­pe­riode im Sommer aber noch mal ziem­lich gut gelaufen.«

Der Auf­sichtsrat hatte damals gehofft, den Manager mit einem Blu­men­strauß und Aachener Printen zu ver­ab­schieden. Doch Schmadtke ver­langte eine ange­mes­sene Abfin­dung, die sich der wirt­schaft­lich unter Druck ste­hende Klub nicht leisten wollte. Sein Ver­trag lief noch bis Ende Juni 2009, also setzte man wohl oder übel die Zusam­men­ar­beit fort und traf sich am 15. Oktober 2008 erneut, um »ergeb­nis­offen« über seinen Ver­bleib bei Ale­mannia Aachen zu spre­chen. Doch längst mel­dete der Flur­funk auf der Geschäfts­stelle, dass die Ent­schei­dung des Auf­sichts­rates gegen den Manager gefallen sei.

»Warum lange her­umeiern?«

Beim frei­täg­li­chen Jour Fix mit Fri­thjof Kraemer teilte der Geschäfts­führer Schmadtke mit, die Füh­rung sei über­ein­ge­kommen, dass es besser sei, zukünftig getrennte Wege zu gehen. Das Angebot: Der Manager sollte zum 15. Dezember 2008 beur­laubt werden und bis zum Ende seines Ver­trages auf 40 Pro­zent seiner Bezüge ver­zichten. Schmadtke nahm die Ent­schei­dung mit ins Wochen­ende zur Reno­vie­rung in seine Woh­nung nach Düs­sel­dorf. Kurz­mit­tei­lungen auf seinem Handy, die wäh­rend der freien Tage von der Klub­füh­rung bei ihm ein­trafen, ließ er unbe­ant­wortet. Am Montag machte er Kraemer ein Gegen­an­gebot: Er werde auf maximal 20 Pro­zent ver­zichten und die Ent­schei­dung, dass er als Sport­di­rektor auf­höre, solle noch heute bekannt gegeben werden.

Gegen 17 Uhr des 20. Okto­bers erbat sich der Geschäfts­führer einen Auf­schub der Bekannt­gabe bis Mitt­woch, weil er so schnell kein Feed­back vom Auf­sichtsrat ein­holen könne. Schmadtke aber, der am Freitag zuvor bei einer Spiel­be­ob­ach­tung in Bochum von einem DSF-Mann ange­spro­chen worden war, ob er für eine sport­liche Ein­schät­zung vor dem Heim­spiel der Ale­mannia gegen Mainz 05 für ein Inter­view zur Ver­fü­gung stünde, nutzte die publi­ci­ty­träch­tige Gele­gen­heit. Da das Live-Inter­view so kurz vor dem Spiel statt­fand, dass der Inhalt des Gesprächs erst nach dem Abpfiff bei der Mann­schaft ankam, ver­kün­dete er seinen Abschied: »Warum lange her­umeiern?«

Die aus­führ­liche Fas­sung dieses Zer­würf­nisses begann wie bei so vielen emo­tio­nalen Schei­dungs­dramen mit sehr viel Lei­den­schaft. Im Herbst 2001 stand die Ale­mannia vor ihrem Ende. 4,5 Mil­lionen Euro Schulden drückten den Verein fast in die Insol­venz. Schmadtke: »Es gab nichts: kein Scou­ting, keine Ver­träge, keine Spieler.« Der Verein schal­tete ein Stel­len­an­gebot im »Kicker«: »Manager gesucht«. Jörg Schmadtke schien trotz aller Uner­fah­ren­heit wie gemacht für den Kri­senjob, in dem unkon­ven­tio­nelles Han­deln und Anspruchs­lo­sig­keit gefragt war. Nach zwölf Jahren im Tor von For­tuna Düs­sel­dorf, dem SC Frei­burg und bei Bayer Lever­kusen hatte er sich als Ver­treter einer Kunst­ra­sen­firma und als Tor­wart­trainer bei For­tuna Köln und Co-Trainer von Rainer Bonhof bei Borussia Mön­chen­glad­bach ver­sucht.

»Als ich in Aachen anfing, war der Verein wie ein rotie­render Tisch, auf dem Jörg Berger und ich standen und ver­zwei­felt ver­suchten, die Balance zu halten – heute steht dieser Tisch bom­ben­fest.«

Am 7. November 2001 trat er an, vier Tage später wurde er bereits in den Not­vor­stand des Klubs an die Seite von Dr. Jürgen Linden beor­dert, weil der bis­he­rige Vor­stand zurück­treten musste. Die Auf­räum­ar­beiten begannen. Er führte sinn­volle Büro­struk­turen ein, ließ die Ver­träge über­ar­beiten, hatte mit Jörg Berger einen robusten und erfah­renen Coach an seiner Seite und ver­brachte fortan jede freie Minute auf Pro­vinz­sport­plätzen, um nach güns­tigen Talenten zu fahnden.

Am Ende der Saison 2001/2002 standen im Kader der Ale­mannia gerade einmal elf Spieler mit lau­fenden Ver­trägen. Zwölf Monate später ver­mel­dete Schmadtke dann seinen ersten spek­ta­ku­lären Transfer: Die Ver­pflich­tung von Eric Meijer war rich­tungs­wei­send. Schmadtke erin­nert sich: »Unser Vize­prä­si­dent Tim Hammer sagte zu mir: Hol mir einen Spieler, mit dem ich durch die Stadt gehen und Mar­ke­ting machen kann.« Der Nie­der­länder kam an den Tivoli – und ver­lieh dem tristen Image der Kar­tof­fel­käfer nach langer Lei­dens­zeit end­lich wieder den Glanz der großen weiten Fuß­ball­welt. Der volks­nahe Meijer – in Kom­bi­na­tion mit dem urigen Willi Land­graf – wurde das Gesicht der neuen Ale­mannia, die unter dem Motto »Arm, aber sexy« ein neues Selbst­be­wusst­sein aus­bil­dete.

»Schm­addi macht das schon«

In der Folge lan­dete Jörg Schmadtke mit jeder Spiel­zeit neue Trans­fer­er­folge. Für Simon Rolfes, Jan Schlau­draff und auch Vedad Ibi­sevic wurde der Tivoli zum Sprung­brett für eine große Kar­riere. 30 Monate nachdem Schmadtke beim Abwick­lungs­kan­di­daten Ale­mannia ange­heuert hatte, erreichte der Klub das DFB-Pokal­fi­nale in Berlin. Dort waren die Ale­mannen dem deut­schen Meister Werder Bremen zwar knapp unter­lagen, zogen aber in den UEFA-Cup ein und sanierten sich dort über das Errei­chen der Grup­pen­phase in Rekord­zeit. Schmadtke: »Als ich in Aachen anfing, war der Verein wie ein rotie­render Tisch, auf dem Jörg Berger und ich standen und ver­zwei­felt ver­suchten, die Balance zu halten – heute steht dieser Tisch bom­ben­fest.«

Trotz seiner Erfolge wurde Schmadtke von Beginn an eher geachtet als geliebt. Doch so lange die Erfolgs­kurve nach oben zeigte, konnte das Umfeld mit seinem Ein­zel­gän­gertum und seiner feh­lenden Bereit­schaft, aus­ge­lassen mit den Fans zu feiern, sehr gut leben. Wäh­rend Auf­sichts­räte in den Fan­kneipen her­um­standen, mimte er den Outlaw. Bei der Auf­stiegs­feier 2006 musste er von den Spie­lern auf dem Rat­haus­balkon regel­recht genö­tigt werden, sich an der Brüs­tung den Fans zu prä­sen­tieren. »Schm­addi macht das schon«, ver­ließen sich nicht nur die Anhänger, son­dern auch die Klub­bosse in den ersten Jahren gern auf die Geschicke des Mana­gers, der den Weg­gang von Erfolgs­coach Jörg Berger ebenso über­gangslos mit dem beliebten Dieter Hecking kom­pen­sierte, wie später immer wieder die Abgänge prä­gender Spieler.

Auf unkon­ven­tio­nelle Weise negierte er das unge­schrie­bene Gesetz, dass einst Ale­mannia-Trainer Peter Neururer nach seiner Ent­las­sung im April 1989 zu Pro­to­koll gegeben hatte: »In Aachen hast du keine Chance, wenn du kein Öcher Platt sprichst.« Sein unbän­diger Fleiß beim Scou­ting (85000 Kilo­meter jähr­lich im Dienst­wagen zu Spiel­be­ob­ach­tungen), seine guten Kon­takte in die Fuß­ball­szene (sein Tele­fon­buch ver­misst die Ale­mannia derart, dass ihn noch immer Ex-Kol­legen nach Num­mern fragen), sein Selbst­be­wusst­sein und seine Durch­set­zungs­fä­hig­keit machten ihn zu einem Fels in der peit­schenden Bran­dung der anfäng­li­chen Kri­sen­zeit. Chris­toph Pauli, Sport­chef der »Aachener Zei­tung«, bringt es auf den Punkt: »Er ist die Ide­al­be­set­zung für Klubs, die ver­zwei­felt sind. Denen beschert er eine außer­or­dent­liche Ren­dite. Schmadtke funk­tio­niert aber am besten, wenn man seine Spiel­re­geln akzep­tiert, denn er gefällt sich in der Rolle als Kauz oder Quer­denker.«

Dank des ehe­ma­ligen Kunst­ra­sen­ver­käu­fers war Ale­mannia Aachen bald wieder ein Mus­ter­schüler der Zweiten Liga. Doch mit dem Erfolg stiegen auch die Erwar­tungen und die Anzahl derer, die mit­ver­ant­wort­lich für die Hausse sein wollten. Immer öfter ent­puppte sich Schmadtke als Spaß­bremse in der Euphorie. Auf der einen Seite er, der akri­bi­sche Arbeiter, der die Tücken des Erfolges und der hohen Erwar­tungen kennt, auf der anderen die beglückten Ehren­amtler im Auf­sichtsrat der 2006 aus­ge­la­gerten Fuß­ball GmbH der Ale­mannia, die im Ange­sicht des sicheren Erst­li­ga­auf­stiegs schon lange vor Sai­son­ende 2005/2006 in Par­ty­stim­mung gerieten.

»Front­zeck war ein guter Trainer, aber in Aachen wollte ihn letzt­lich keiner haben.«

Als im April 2006 der Rück­kehr ins Ober­haus prak­tisch voll­zogen war, blökte Schmadtke gezielt mit einem Inter­view in der »Aachener Zei­tung« gegen die all­seits auf­jau­lende Feten­musik an: »Wenn man genauer hin­schaut, erkennt man, dass der eine oder andere nur noch tau­melt. (…) Manche Dinge werden nur noch abge­ar­beitet, pla­ne­ri­sche Vor­aus­schau fehlt.« Ein Warn­schuss an die fuß­ball­fernen Bosse im Auf­sichtsrat, der seine Wir­kung nicht ver­fehlte. Und das erste Mal signa­li­sierte ihm die Klub­füh­rung, er möge sich mit seinen Äuße­rungen zukünftig mehr zurück­halten, sonst drohten dis­zi­pli­na­ri­sche Maß­nahmen. Der avi­sierte Fünf­jah­res­ver­trag, den Schmadtke nach dem Auf­stieg erhalten sollte, wurde auf drei Jahre begrenzt.

Zu seinen Gegen­spie­lern avan­cierten zuneh­mend die beiden mäch­tigen Männer im Auf­sichtsrat: Aachens Ober­bür­ger­meister Dr. Jürgen Linden, der den Manager 2001 ein­ge­stellt hatte, und der Banker Franz-Wil­helm Hil­gers. Die Men­ta­li­täts­un­ter­schiede der beiden ver­gli­chen mit dem kau­zigen Schmadtke könnten größer kaum sein. Ohne Volks­tribun Dr. Jürgen Linden läuft im öffent­li­chen Leben Aachens nichts.

Linden mischt überall mit, im Prä­si­dium des Deut­schen Städ­te­tages, im Vor­stand der Aachener Spar­kasse und im Kar­neval. In seinem aktu­ellen Lebens­lauf stehen nicht weniger als 22 Funk­tionen und Ehren­ämter in öffent­li­chen Ein­rich­tungen. Wenn er durch die Fuß­gän­ger­zone geht, kennt er auf­fal­lend viele Pas­santen mit Namen. In Aachen scherzen sie, wenn Karl der Große noch leben würde, er könnte nur mit Lin­dens Gunst erneut den Thron besteigen. Hil­gers, Vor­stand der Aachener Bank und ein Mann, wie er fuß­ball­fremder kaum sein kann, war die Hemds­är­me­lig­keit des Mana­gers von Anfang an ein Dorn im Auge. Nicht zuletzt, weil auch das exor­bi­tante Gehalt, das Schmadtke nach dem Bun­des­li­ga­auf­stieg 2006 bezog, nicht mehr in die Vor­stel­lungs-welt des hono­rigen Betriebs­wirts passte.

»Ein Gre­mium, das der sport­li­chen Lei­tung neun Monate die Knüppel zwi­schen die Beine geworfen hat.«

Und es vollzog sich all­mäh­lich das fast schon gewohnte Macht­spiel, das in Pro­fi­ver­einen statt­findet, wenn sport­li­cher Sach­ver­stand und Ver­eins­meierei mit­ein­ander kol­li­dieren: Die erste Per­so­nalie, die Schmadtkes Ansehen im Klub beschä­digte, war die Ver­pflich­tung des Trai­ners Michael Front­zeck. Neben Front­zeck stand auch Jos Luhukay für die Nach­folge des schon bald nach Han­nover abge­wan­derten Dieter Hecking in der engeren Aus­wahl. Schmadtke aber gelang es, den Jung­coach vom Nie­der­rhein beim Klub durch­zu­drü­cken. Linden fehlte in der Sit­zung, als über den Coach ent­schieden wurde.

Doch der fuß­bal­le­ri­sche Stamm­baum eines ver­hassten Ex-Glad­ba­chers machte Front­zeck von Beginn an zur Per­sona non Grata bei den Fans. Hans Libotte, Spre­cher Fan-Ver­ei­ni­gung »IG-Ale­mannia«, sagt: »Der war zu Glad­ba­cher Zeiten mit dem Stin­ke­finger vor unserem Fan­block rum­ge­laufen – und nun saß er bei uns auf der Bank.« Das Expe­ri­ment miss­lang – bis zum 26. Spieltag lag die Ale­mannia noch im gesi­cherten Mit­tel­feld der Bun­des­liga, dann ver­schlech­terten sich die Ergeb­nisse zuse­hends. Auch im Vor­stand waren in dieser Zeit offen­sicht­lich einige Herren geneigt, sich der Mei­nung der Fans bezüg­lich des Trai­ners anzu­schließen – der Vor­sit­zende des Ale­mannia-Ältes­ten­rates Pro­fessor Helmut Breuer nannte ihn »nichts weiter als ein Co-Trainer«.

Am Ende der Bun­des­li­ga­saison, die mit dem Abstieg endete, schmiss Front­zeck ent­nervt die Bro­cken hin und gab dem Auf­sichtsrat beim Abschied eine gehö­rige Mit­schuld an seinem Mob­bing: »Ein Gre­mium, das der sport­li­chen Lei­tung neun Monate die Knüppel zwi­schen die Beine geworfen hat.« Bis heute gilt der Abstieg bei allen Betei­ligten in Aachen als eine Ver­ket­tung unglück­li­cher Umstände, die sich nur schwer in Worte fassen lasen. Schmadtke resü­miert: »Front­zeck war ein guter Trainer, aber in Aachen wollte ihn letzt­lich keiner haben.«

Nach diesem Fiasko prä­sen­tierte Schmadtke zwei Nach­folge-Vari­anten: Den von ihm prä­fe­rierten Jürgen See­berger – und Guido Buch­wald, der bis dato nur in Japan als Coach Erfah­rungen gesam­melt hatte. Geblendet von der Vor­stel­lung, unter einem Welt­meister den Wie­der­auf­stieg zu schaffen, ent­schieden sich Auf­sichtsrat und Geschäfts­füh­rung für den Schwaben. Schmadtke über­ließ diesmal den Bossen die Ent­schei­dung. Er hatte sich bei seinem Vor­schlag auch auf die Ein­schät­zung von Buch­walds Co-Trainer Gert Engels bei den Urawa Red Dia­monds ver­lassen – doch die Vor­aus­set­zungen in der deut­schen Zweiten Liga über­for­derten den Schwaben von Anfang an.

»Sag a mal, Fiéllo, hascht du eigent­lich auch einen Vor­namen?«

Ganz abge­sehen davon, dass ihm das Faible für das raue Aachener Tem­pe­ra­ment abging. Er ver­wech­selte Namen der geg­ne­ri­schen Spieler bei seinen Kabi­nen­an­spra­chen. Seine Profis machten sich über ihn lustig, weil er nach einem Trai­ning minu­telang durch die Kabine irrte und jeden Spieler nach einem Fön fragte. Den lang­jäh­rigen Ale­mannen, Mit­tel­feld­spieler Cris­tian Fiél, soll er noch Wochen nach Sai­son­be­ginn nur unter seinem Spitz­namen gekannt und ihn schließ­lich gefragt haben: »Sag a mal, Fiéllo, hascht du eigent­lich auch einen Vor­namen?« Zum ersten Mal hatten sich die Bosse über den Rat ihres Sport­ma­na­gers hinweg gesetzt – und sie hatten daneben gegriffen. Iro­nisch über­nahm Schmadtke in den Medien die Ver­ant­wor­tung für die Per­so­nalie Buch­wald – und setzte sich nach der Aus­wärts­nie­der­lage in Augs­burg am 14. Spieltag bis zur Win­ter­pause 2007/2008 über­gangs­weise selbst auf die Bank.

Doch die schlechten Ergeb­nisse hatten die Bosse miss­trau­isch gemacht. Der Auf­sichtsrat unterzog Schmadtkes Arbeit nun zuneh­mend einer Qua­li­täts­kon­trolle. Fortan war der Manager ange­halten, monat­lich bei den Auf­sichts­rats­sit­zungen über das Scou­ting zu refe­rieren, damit die hohen Herren über den Fort­gang der Ent­wick­lung im Bilde waren. Ein Affront gegen ihn, der doch in Aachen ein struk­tu­riertes Scou­ting erst ein­ge­führt hatte. Bis dato hatte der Sport­di­rektor Trans­fer­fragen aus­schließ­lich mit dem Trainer erör­tert, um den Kreis der Mit­wisser zu begrenzen und so eine ver­frühte Bekannt­ma­chung neuer Ver­pflich­tungen zu ver­hin­dern. »Denn ein Klub wie die Ale­mannia hat auf­grund seiner wirt­schaft­li­chen Situa­tion keine Chance, Spieler teuer ein­zu­kaufen. Und wenn ein Transfer vor Vollzug öffent­lich wird, inter­es­sieren sich auto­ma­tisch auch andere für den Spieler.«

Schmadtke fühlte sich kon­trol­liert – und tat das, was ihm vom Natu­rell her am nahesten lag: Er schal­tete auf stur – und sorgte dafür, dass er des Öfteren an Tagen der Auf­sichts­rats­sit­zungen Urlaub hatte. Es endete im Klein­krieg: Als im ambi­tio­nierten Sta­di­on­pro­jekt am Tivoli der offi­zi­elle Spa­ten­stich voll­zogen wurde, ließ sich Schmadtke ent­schul­digen, weil er auf Scou­ting­tour müsse. Er war sauer, dass er die Ein­la­dung erst zwei Tage vorher erhalten hatte. Er sagt: »Ich gehe halt nicht gerne auf Pres­se­ter­mine, bei denen ich den Ein­druck habe, dass man mich nicht dabei haben will.« Der sonst so gleich­mü­tige Linden rief seinen Manager nun schon deut­lich gereizter zu mehr Ent­ge­gen­kommen auf.

»Wenn Jörg schlechte Laune hatte, war man froh, wenn man ihm nicht begeg­nete.«

»Das Ver­trauen schwand. Das neue Sta­dion, die Ambi­tionen – der Auf­sichtsrat verlor die Nerven und war nicht mehr in der Lage das große Ganze zu sehen, son­dern griff immer häu­figer Details auf«, resü­miert der Manager. Weil der Klub die Leis­tungs­träger nicht halten konnte, wurde ihm nun sogar Nai­vität unter­stellt, weil etwa Vedad Ibi­sevic im Ver­trag eine Frei­gabe für einen ablö­se­freien Wechsel in die Erste Liga besaß. Ohne diese Optionen hätte Aachen jedoch nie die Chance gehabt, Leis­tungs­träger wie den Bos­nier zu bekommen.

Schmadtkes Ent­frem­dung im Mikro­kosmos der Geschäfts­stelle war zu diesem Zeit­punkt eben­falls weit fort­ge­schritten. Selbst Eric Meijer sagt: »Wenn Jörg schlechte Laune hatte, war man froh, wenn man ihm nicht begeg­nete.« Das war es wohl auch, was Dr. Jürgen Linden meinte, als er in der Nacht von Schmadtkes Demis­sion sagte: »Wir haben lange genug seine Psyche akzep­tiert.« Der Ein­zel­gänger lehnte eine Ein­mi­schung vom fuß­ball­fremden Auf­sichtsrat strikt ab. Die Bosse reagierten all­er­gisch auf die Zurück­wei­sung und klagten per Dienst­an­wei­sung ein, über die Amts­ge­schäfte des sport­li­chen Abtei­lungs­lei­ters infor­miert zu werden, was der wie­derum als Affront ver­stand und mit hin­ter­sin­nigem Sar­kasmus quit­tierte. Das Ver­hältnis war nicht mehr zu kitten.

Ende November sitzt Jörg Schmadtke im Star­bucks am Düs­sel­dorfer Hafen. Er fährt jetzt viel Fahrrad, obwohl er erst letzte Woche seinen neuen Dienst­wagen aus Aachen abge­holt hat. Seine Ver­bin­dungen in den Klub sind nach wie vor auto­bahn­breit. Natür­lich drückt er seiner Truppe für den Auf­stieg wei­terhin beide Daumen – schließ­lich ist in seinem Ver­trag eine Auf­stiegs­prämie fest­ge­schrieben.

»Es muss einer sein, der das Feuer in den Augen hat«

In Aachen haben sie in Ermang­lung eines Nach­fol­gers eine Mana­ger­fin­dungs­kom­mis­sion ein­ge­setzt, bestehend aus dem Idol Eric Meijer, Eric van der Luer, dem Trainer der U23-Ale­mannen, und Scout Her­mann Grümmer. Der Nie­der­länder van der Luer hätte den Mana­ger­posten gerne über­nommen. In einem internen Gespräch der Task-Force soll er seine Bewer­bung auch vor­ge­bracht haben. Er wurde gebeten, den Raum zu ver­lassen, Auf­sichtsrat und sport­liche Inte­rims­lei­tung berieten den Fall – und ent­schieden gegen ihn. »Er macht als Ober­li­ga­trainer her­vor­ra­gende Talent-Arbeit, die in unserer Situa­tion auch sehr wichtig ist«, begründet Fri­thjof Kraemer die Ent­schei­dung. Internen Quellen im Klub ist jedoch zu ent­nehmen, dass van der Luer auch nicht als Manager ver­brannt werden soll, weil er irgend­wann den nicht ganz unum­strit­tenen Trainer Jürgen See­berger beerben könnte. Eric Meijer hat nach einem Sab­bat­jahr keine Lust auf einen Voll­zeitjob als Manager.

Man son­diert also Bewer­bungen. Diesmal kommt die Füh­rung ohne ein Stel­len­ge­such aus. Angeb­lich liegen die Bewer­bungs­mappen von 18 seriösen Anwär­tern auf den Posten vor. Sieben Sport­di­rek­toren sind in der engeren Aus­wahl: Als aus­sichts­reichster Kan­didat – weil der­zeit ohne Beschäf­ti­gung im Fuß­ball – gilt Andreas Born­emann, Ex-Manager des SC Frei­burg. Außerdem mit auf der Liste: Rolf Dohmen (KSC-Manager), Markus van Ahlen (B‑Ju­gend-Trainer des HSV), Stefan Beutel (Manager von Rot-Weiß Erfurt), Thomas Strunz (Sport­di­rektor bei Rot-Weiss Essen), Martin Braun (Geschäfts­führer von VfR Ahlen) und Oliver Kreuzer (Manager von Sturm Graz). Die Ent­schei­dung über Schmadtkes Nach­folge soll even­tuell noch vor Weih­nachten fallen. Wer letzt­lich den Zuschlag erhält, wird aber auch vom Geld abhängen. Der Düs­sel­dorfer bezieht jetzt – nach der Beur­lau­bung – volles Gehalt bis zum Ende der Saison. Auf die Frage nach den von den Medien kol­por­tierten 290000 Euro, die noch aus­stehen sollen, kann er sich ein Lächeln nicht ver­kneifen.

»Schauen Sie sich Energie Cottbus an, wie zäh die sich mit beschränkten Mög­lich­keiten in der Bun­des­liga behaupten. Das ist ein Modell, was ich mir für Ale­mannia auch vor­stellen kann.«

»Es muss einer sein, der das Feuer in den Augen hat«, lie­fert Eric Meijer eine Stel­len­de­fi­ni­tion. Sprich: Einer, der nicht wegen des Geldes, son­dern wegen der aus­ste­henden Meriten zu den Kar­tof­fel­kä­fern kommt. Denn die Gold­grä­ber­stim­mung der frühen Schmadtke-Ära ist vorbei. Jetzt müssen hohe Erwar­tungen erfüllt werden. Ein Verein, der in seiner 108-jäh­rigen Geschichte zweimal in die Bun­des­liga auf­ge­stiegen ist und dessen größter Erfolg die Teil­nahme an der Grup­pen­phase im UEFA-Cup und eine Vize­meis­ter­schaft vor fast 40 Jahren war, leistet sich der­zeit ein neues Sta­dion für 50 Mil­lionen Euro. Diese Auf­wer­tung der Infra­struktur – noch dazu mit dem über die Tickets finan­zierten Luxus, den Sta­di­on­namen nicht zu ver­kaufen – muss mit der sport­li­chen Ent­wick­lung Schritt halten.

»Wir wollen als Klub, der gegen­wärtig zu den 25 besten Fuß­ball­ver­einen in Deutsch­land gehört, in den kom­menden fünf Jahren zu den besten 15 Pro­fi­klubs auf­schließen«, gibt Fri­thjof Kraemer die Marsch­rich­tung vor. Mit­tel­fristig ist die Bun­des­liga also Pflicht für den Verein, der seinen aktu­ellen Zuschau­er­schnitt von 19550 in der neuen Spiel­stätte auf 30000 ver­bes­sern will. In einer Zweiten Liga, in der gerade jeder jeden schlagen kann, lässt sich das sport­liche Ziel womög­lich schon bald errei­chen. Doch für spek­ta­ku­läre Trans­fers fehlt ebenso das Geld wie für einen Top-Mann auf dem Manager-Sessel. Die Frage ist also, ob ein Auf­stieg nach­hal­tiger ist als beim jüngsten Erst­li­ga­aben­teuer. Eric Meijer sagt: »Schauen Sie sich Energie Cottbus an, wie zäh die sich mit beschränkten Mög­lich­keiten in der Bun­des­liga behaupten. Das ist ein Modell, was ich mir für Ale­mannia auch vor­stellen kann.« Und wie gefällt dem Auf­sichtsrat ein Ver­gleich mit der grauen Maus Energie Cottbus, Herr Meijer? »Den mögen die natür­lich nicht so gern.«

»Für Jörgs Nach­folger wird es schwer. Denn was Uli Hoeneß für die Bayern, war Schmadtke für Ale­mannia.«

Schmadtke zündet noch eine Ziga­rette an. Er muss dann auch – zurück zu den Reno­vie­rungs­ar­beiten zu Hause. Fühlt sich gut an, nach sieben Jahren als Manager mal ganz ohne Stress. Er kann nicht ver­stehen, dass Funk­tio­näre so ver­sessen darauf sind, neben Becken­bauer und Allofs in den VIP-Logen zu sitzen, anstatt in der Zweiten Liga sach­lich und gezielt Struk­turen zu ent­werfen, die für lang­fris­tigen Erfolg sorgen. Natür­lich weiß er, dass er einen Hang zum Diven­haften besitzt. »Ich hätte mehr in das Mar­ke­ting meiner Person inves­tieren können. Und sicher hätte ich ver­su­chen müssen, die Ehren­amtler bei allem noch etwas mehr mit­zu­nehmen.«

Ganz ohne pro­vo­kante Ironie geht es den­noch nicht, wenn er in der Aachener Zei­tung ergänzt: »Aber es ist manchmal schwierig jemanden mit­zu­nehmen, der den Unter­schied zwi­schen DFB und DFL nicht kennt.« So ist er halt – er, der als erster Keeper mit unför­migen Pump­hosen auf­lief und dem kein Trikot zu grell war. Der Rosen­krieg, der sich nach seiner Beur­lau­bung andeu­tete, ist aus­ge­blieben. In der wirt­schaft­lich ange­spannten Situa­tion des Klubs ist es auch wichtig, dass Kräfte nicht ver­geudet, son­dern gebün­delt werden. Für die Fans ist die Per­so­nalie Schmadtke ohnehin Schnee von ges­tern. Doch Eric Meijer ist sicher: »Für Jörgs Nach­folger wird es schwer. Denn was Uli Hoeneß für die Bayern, war Schmadtke für Ale­mannia.«

Dabei könnten sie hier gerade jetzt einen Macher wie ihn gut gebrau­chen. Und mit etwas Bemühen auf beiden Seiten, hätte die Bezie­hung durchaus Bestand haben können. Aber so ist es nun mal im Fuß­ball – Emo­tionen über­la­gern wie so oft ver­nunft­ge­lei­tetes Han­deln. Jetzt geht es um Scha­dens­be­gren­zung. Damit Ale­mannia Aachen mehr wird, als das, was Jörg Schmadtke stets über den Klub sagte: »Ein Andert­halb-Ligist.«

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